Rechtsanwaltskanzlei
Matthias Teichner
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Tätigkeitsschwerpunkt: Arzthaftungsrecht und Medizinrecht
 
 
Der Hygienezwischenfall
 
 

Regelmäßig erscheinen in meinem Büro Mandanten zur Beratung, die Infektionen aus ärztlichen Behandlungen und Eingriffen (Injektionen, Operationen, stationären Behandlungen usw.) davon getragen haben und die Ursache hierfür in einer unzureichenden Hygiene erblicken bzw. vermuten. Die Schilderungen darüber, was im Einzelnen der - zum Teil schweren - Infektion vorausging, legen dann auch zumeist den dringenden Verdacht nahe, dass tatsächlich entsprechende Verstöße gegen die maßgebliche Sorgfalt im Zusammenhang mit Fragen der Hygiene ausschlaggebend für die jeweilige Infektion (Keimübertragung) waren. Das Problem im Einzelfall ist, wie sonst in der Arzthaftung auch, der konkrete Nachweis darüber, dass - und wie im Detail - gegen (welche?) Gebote oder Richtlinien der Hygiene verstoßen wurde und dass die anschließende Infektion hierauf (höchst wahrscheinlich) zurückzuführen ist. Haftung setzt bekanntlich Verschulden, mithin den Verstoß gegen Sorgfaltspflichten voraus. Der Nachweis der Verursachung ist lediglich Voraussetzung und Ausgangspunkt dafür, Überlegungen darüber anzustellen, ob ein Sorgfaltspflichtverstoß zur Infektion geführt hat, die Schädigung demnach vermeidbar gewesen wäre. Die Beweislast für den Verstoß gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht, die beispielsweise auch für einen Krankenhausträger darin bestehen kann, den Betrieb des Hauses so zu organisieren, dass Infektionen auf ein möglichst absolutes, mithin unvermeidbares Minimum reduziert werden, trägt - nach wie vor - grundsätzlich die Patientenseite. Dasselbe gilt für den zusätzlichen Nachweis darüber, dass die Infektion tatsächlich Folge der mangelhaften Hygiene war. Zwar kann von Fall zu Fall eine gewisse Beweiserleichterung dadurch vorgenommen werden, dass der Beweis des ersten Anscheins (Prima-facie-Beweis) zum Tragen kommt. Dieser Beweis kann aber von der Behandlerseite häufig und einfach dadurch erschüttert werden, dass aufgezeigt und nachgewiesen wird, dass die jeweilige Infektion - laut wissenschaftlicher Literatur - auch in Fällen auftritt, in denen (nachweislich ?) die gebotenen und erforderlichen Maßnahmen der Hygiene beachtet und eingehalten wurden. Damit wird klar, dass Hygienezwischenfälle keineswegs klare und für den eingeschalteten Rechtsanwalt einfache Haftungsfälle sind. Dies ist natürlich immer dann besonders schwer hinzunehmen, wenn die Infektionen schwere Folgen nach sich gezogen haben, wie beispielsweise Beinamputationen oder aber auch den Tod des Patienten, wobei die Todesursache dann zumeist ein Multiorganversagen nach statt gehabter Sepsis ist.

Über Eines dürften sich Alle, die mit dieser Materie in Berührung kommen, im Klaren sein. Ein Teil der Infektionen, die tagtäglich mit ärztlichen Eingriffen und / oder Krankenhausaufenthalten einhergehen, wären vermeidbar und sind damit keineswegs schicksalhafter Natur. Vielleicht bzw. wahrscheinlich gilt dies sogar für sehr viele Fälle, darunter durchaus auch für Todesfälle. Gewarnt werden muss aber m. E. vor Zahlen, wie sie unlängst wieder im Zusammenhang mit den tragischen Vorfällen in Mainz diskutiert wurden. Von 40.000 Toten pro Jahr war die Rede. Wer will diese Zahlen, bei denen es sich um Schätzungen (aufgrund von Hochrechnungen) handeln dürfte, kontrollieren? Ich bezweifele - als Patientenvertreter - keineswegs, dass eine hohe Anzahl der alljährlichen Hygienezwischenfälle vermeidbar wären und auf einen gewissen (menschlichen) "Schlendrian" zurückzuführen sind, wobei diese Fälle mit dem Wort Schlendrian keineswegs als Bagatelle abgetan werden sollen. Jeder vermeidbare Hygienezwischenfall ist einer zu viel, besonders für den Betroffenen. Deshalb muss ständig gemahnt und erinnert werden und die (gesellschafts-politische)Forderung danach, die Mittel (also die Gelder!) aufzustocken, um die Hygiene in unserem Gesundheitswesen zu verbessern, ist selbstverständlich berechtigt und wird von mir absolut und uneingeschränkt gut geheißen und unterstützt. Meine "Warnung" richtet sich nur gegen die aktuelle Panikmache, die den Medien Schlagzeilen bringt, indes vom Zahlenmaterial her fragwürdig ist und mit der Gefahr verbunden ist, unnötigerweise "Porzellan" zu zerschlagen. Welcher Arzt, welches Krankenhaus, sollte nicht auch ein großes Interesse daran haben, dass Infektionen auf ein Minimum reduziert werden? Man wird m. E. der Behandlerseite nicht gerecht, wenn man ihnen 40.000 Todesfälle anlastet, mit anderen Worten "in die Schuhe schiebt". Ein wenig erinnert die aktuelle Situation an den so genannten "VIOXX-Skandal". Von mindestens 7.000 "Geschädigten" war damals - in den Medien - die Rede. Was ist davon - auf seriöser Ebene - übrig geblieben? Wem ist es bis heute gelungen, im Einzelfall nachzuweisen, dass die Einnahme von VIOXX tatsächlich ursächlich für eine bestimmte Komplikation, womöglich für den Tod eines Patienten war? Auch hier gilt, um nicht missverstanden zu werden, selbstverständlich gehe auch ich davon aus, dass von VIOXX eine Gefahr ausging (bekanntlich gilt: keine Wirkung ohne Nebenwirkung) und, dass mancher - tragische - Fall mit der Einnahme von VIOXX irgendwie in Verbindung stand - allein schon in zeitlicher Hinsicht. Aber, m. E. wurde von vorneherein nicht ausreichend bedacht, dass einerseits die Medikamente keinen gesunden, sondern zumeist schwer (chronisch) Erkrankten verordnet wurden und, dass andererseits diese Patienten gleichzeitig (viele) andere Medikamente konsumierten. Sowohl von der jeweiligen Grunderkrankung als auch von der Einnahme der anderen Medikamente gingen Risiken für den Patienten aus. Wie konnte und wollte man - als Informierte und Wissende - in dieser Situation so tun und davon sprechen bzw. schreiben, dass man mehr oder weniger von 7.000 Geschädigten - im Zusammenhang mit der Einnahme von VIOXX - in Deutschland "wüsste". Meine Überlegungen, die natürlich am Ende falsch sein mögen, veranlassten mich in der Vergangenheit dazu, einer gesetzlichen Krankenkasse davon abzuraten, circa 100 Fälle, die von den Mitarbeitern der Regressabteilung der Krankenkasse mühsam herausgefiltert worden waren, weiterzuverfolgen. Damit handelte ich zwar gegen meine wirtschaftlichen Interessen, denn auch ich lebe von Einnahmen, sprich Honoraren, aber diese müssen m. E. - nicht zuletzt weil sie so heißen - unter Einhaltung und Beachtung der anwaltlichen Sorgfalt sowie einer gewissen Form von "Ehre" verdient werden.

 
 
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